Corneliusweg 12

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47° 5' 47.80" N, 15° 23' 50.28" E


Jugendstil - "Villa Antonia"

Historisches


Die Jugendstilvilla wurde für Franz Wolf den Stadtbrunnenmeister in Graz 1912 vom Baumeister und Zimmerermeister Heigl & Schwab (damals Sparbersbachgasse 13) geplant und 1913 fertiggestellt. Ursprünglich hatte das Gebäude die Hausnummer Gösting 394, später Kapellenweg 14. Dieser Name entstammt einer am Beginn des heutigen Corneliuswegs befindlichen Kapelle, diese wurde leider durch einen Bombentreffer im 2. Weltkrieg zerstört. An ihrer Stelle steht heute die Siedlung Corneliusweg 3-7.

1920 wurde das Gebäude von der Familie Wengert gekauft. Hermann Wengert war der ehemalige Schuldirektor und Ehrenbürger der Stadt Schladming, seine Frau Elsa (geb. Rempfl) war die Urenkelin des ursprünglich aus Mainz stammenden Buchdruckers Andreas Leykam. Leykam lernte zunächst bei Andreas von Trattner in Wien, bis er 1776 nach Graz ging und hier 1781 eine eigene Druckerei gründete. 1793 kaufte er die Leuzendorfer Papiermühle und baute diese zur größten Papierfabrik der Habsburg Monarchie aus.
Durch das Ehepaar Wengert wurde das Gebäude in 2 Wohnparteien umgebaut und der Dachboden als Wohnraum adaptiert.
Durch einen Bombeneinschlag im Süden des Gebäudes wurden die Fensterscheiben zerstört, das Gebäude an sich aber nicht in Mitleidenschaft gezogen. Kurzfristig wurde in der Nachkriegszeit die Villa von mehreren "Heimatlosen" bewohnt. Zum Glück wurde das Ensemble in den Jahrzehnten kaum verändert, sodass noch heute viele Elemente der Erbauungszeit erhalten sind.

Die Villa wurde von den Erben im Juli 2020 an eine Grazer Familie verkauft und so vor der möglichen Zerstörung durch einen Bauträger gerettet. Derzeit wird das alte Gemäuer mit viel Liebe und Aufmerksamkeit saniert und soll schon bald im alten Glanz erstrahlen.

Straßenbezeichnung
Der Corneliusweg wurde nach Peter Cornelius (24.12.1824-26.10.1874 jeweils Mainz) einem deutschen Dichter und Komponisten benannt. Zu seinen Werken zählen u.a. die "Weihnachtslieder op.8" (1856), die komische Oper "Der Barbier von Bagdad" und das Requiem "Seele vergiss sie nicht" nach einem Text von Friedrich Hebbel (1872).
Aus welchem Grund die Straße nach ihm benannt wurde, ist nicht überliefert.

Baustil
Die Villa wurde in einem rechteckigen Grundriss mit einem Erker im Nordwesten dreigeschossig erbaut. Dadurch, dass der Keller nur zu gut einem Meter in die Erde gesetzt wurde, konnten große Kastenfenster verbaut werden, die auch dieses Geschoss sehr hell erscheinen lassen.
Der Eingang wird von einer Steintreppe mit Schmiedeeisernen Geländer und Holzlauf bestimmt. In diesem Bereich und zum Teil im Parterre befindet sich ein Terrazzoboden aus der Entstehungszeit. In den Wohnräumen des Parterre ist ein Fischgrätparkett in Eiche verlegt.
Die Fassade war ursprünglich wie auf dem Foto unten ersichtlich mit einem typischen Jugendstilstuck geschmückt, außerdem befand sich über und neben dem Hauseingang eine Bemalung (vermutlich Jungfernsprung und Ruine Gösting). Leider ist beides nicht mehr erhalten, wobei geplant ist zumindest die Stuckfassade wiederherzustellen. Vermutlich in den 1920iger Jahren wurde das Haus in zwei Wohnparteien aufgeteilt und der Dachboden ausgebaut. Zu dieser Zeit wurden auch Wohnungseingangstüren in das vorher freie Stiegenhaus eingebaut.

Beheizt wurde das Gebäude wie zu dieser Zeit üblich durch Einzelöfen, wobei im Wohnzimmer ein gesetzter Kachelofen erhalten ist. Dieser zeigt eine Frauengestalt mit typischer Biedermeierkopfbedeckung und dürfte wohl vor 1900 entstanden sein. Im Kellergeschoss ist die Waschküche mit originalem Ofen erhalten.
Im Südwesten befindet sich eine kleine Holzveranda mit originalen "Grazer-Fenstern". Die Balkenkonstruktion mit Andreaskreuzen im ländlichen Stil und einem Fichtenschiffboden.
Das Dach ist als 3 teiliges Krüppelwalmdach ausgeführt in einfacher Bieberschwanzdeckung und mit Großteils erhaltenen Dachspitzen. Die Kaminköpfe weisen teilweise einfache Verzierungen aus der Entstehungszeit auf.

Brunnenanlage
Im Nordosten befindet sich ein ca 25-28 Meter tiefer Brunnen, der heute einen Wasserstand bei 23 Metern hat. Nachdem der Erbauer Brunnenbaumeister war, dürfte er hier ein Meisterstück vollbracht haben. Die noch erhaltene Pumpe aus massivem Gusseisen und einem massiven ca. 1,5m im Durchmesser messenden Schwungrad zog das Wasser zunächst mittels Handkurbel aus dieser respektablen Tiefe. 1940 wurde ein Drehstrommotor der Fa. Elin angeschafft, der bis Mitte der 1970iger Jahre die Pumpe über einen Riemen antrieb und das Haus mit Wasser versorgte. Auch dieser und die elektrische Steuerung sind noch erhalten.

Wasserentsorgung
Wie zu dieser Zeit üblich erfolgte die Entsorgung der Abwässer über eine Fasslanlage, wobei die Exkremente über eine Rohranlage in ein aufgestelltes Fass geleitet und von dort regelmäßig durch eigene Arbeiter entleert wurde.

In der Fassade befindet sich noch immer die ursprüngliche Klappe für dieses Fass und das Klo im Keller ist entsprechend durch drei Stufen erhöht. Mittlerweile ist natürlich eine Kanalentsorgung vorhanden.
Dieses Prinzip existierte in Graz aber tatsächlich bis Anfang der 1970iger Jahre, so wurde der Vorgängerbau der ehemaligen Vorklinik-Harrachgasse auch über ein solches System entwässert.


Behutsame Sanierung eines altehrwürdigen Gebäudes - eine Mammutaufgabe [in Bearbeitung]
Als wir 2020 das Glück hatten diese Jugendstilvilla zu entdecken, hatten wir uns verliebt. Das Gebäude so meinen die Verkäufer, "...hätte uns gefunden." Die einzigen Mitbieter waren Bauträger, was diese während des Baubooms 2020 in Graz mit der Villa und dem Garten gemacht hätten, ist wohl mit nur wenig Fantasie nachzuvollziehen. Nun hatten wir das seltene Glück auf Verkäufer zu treffen, die eine tiefe innere Beziehung und viele Erinnerungen mit diesem Gebäude hegen und dass für diese Geld doch nicht alles war. Wir trafen uns in einem für beide Seiten akzeptablen Rahmen und es ist eine freundschaftliche Beziehung zwischen uns und den beiden Verkäufern entstanden. Sie kommen uns regelmäßig auf der Baustelle besuchen. Nun sollte der Leser wissen, dass wir beruflich überhaupt nichts mit Sanierungen, Planungen oder Bauhandlungen zu tun haben, ganz im Gegenteil. Ich hatte schon die Vermutung, das dieses Gebäude viel Geld, Zeit und Geduld verschlingen wird. Das tatsächliche Ausmaß war nicht mal annähernd abzuschätzen. Fachlich wurde ich durch den Baumeister bzw. Planungsbüro DI Ulrich über den gesamten Bau mit Rat, Tat und Plan begleitet. Von Beginn an war klar, dass die Bausubstanz grundsätzlich gut war, vieles aus der Bauzeit erhalten ist, aber zuletzt nur mehr das notdürftigste repariert wurde. Wir trafen auf einen feuchten Keller, dessen Innen und Außenwände nach jedem stärkeren Regen bis ca 2m im Wasser standen. Die Haustechnik ein Flickwerk der unterschiedlichen Epochen, die Kastenfenster teilweise morsch, im Dachgeschoß Kunststofffenster der 90iger, die Elektrik ein Kunstprojekt eines unbegabten Handwerkers (ein Flickwerk aus Schmelzsicherungen, Stoffummantelten Drähten und moderner Verdrahtung in der Einheitsfarbe lila (Phase, Neutralleiter, Erdung, egal einfach lila)..... Also erstmal kräftig ausräumen: Feuchten Putz in allen Kellerräumen abstemmen, Teppich und PVC Böden entsorgen, morschen Unterboden und feuchte Schlacke aus dem Keller schaufeln, ein Knochenjob. Auch war es in den Jahren 2020 bis 2023 aufgrund des massiven Baubooms und des Facharbeitermangels kaum möglich Fachleute bzw. Firmen zu beauftragen, teilweise waren die Kostenvoranschläge utopisch und unfair.

[Fortsetzung folgt ]

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