Lazarettgürtel 77

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47° 3' 30.10" N, 15° 25' 36.41" E


Sogenannter "Falkenhof"

Die Geschichte des denkmalgeschützten sog. "Falkenhofes" ist etwas verworren. Es wurde nicht ausgeschlossen, dass der echte Falkenhof in der Karlauer Straße 14 gelegen war. Das hat sich aber ebenso als falsch erwiesen; der "echte" Falkenhof ist aus dem Hof in der Nebelau entstanden, siehe Triester Straße 2 (Graz). Dort hat auch Franz Joseph Hueber schon 1721 seine "Majolika"- oder Weißgeschirrfabrik eröffnet, siehe Fabriksgasse 17 (Graz). Das beweist die Weintazkarte von ca. 1750, die hier noch keinen Betrieb zeigt, sondern an der Stelle des heutigen sog. Falkenhofes den "Reiner Garten", ein stattliches zweigeschossiges Haus in einem umzäunten Areal (Garten nannte man zu der Zeit ja kleine Besitzungen in der Vorstadt). Der zugehörige Besitzer namens Reiner konnte bisher noch nicht eruiert werden, vielleicht lautete der Name auch Remer - "Ph. Remers Garten" von 1663 ist mit einem Fragezeichen von Pirchegger in seinem Häuserbuch von 1927 unweit davon in der Prankergasse 25, dem später Brauhaus Tiefenbacher, geortet worden.

Der Um- oder Neubau des sog. Falkenhofes erfolgte vermutlich um 1770 durch den Baukünstler Joseph HUEBER für den damaligen Besitzer der Fabrik Anton Ignaz Heß, und es erhält das heutige Aussehen. (P. Laukhardt: Nebelau, Denggenhofzeitung 2016)

David Stern war Vorstandsmitglied, zeitweise auch Präsident der Jüdischen Gemeinde in Graz. Seine Frau Charlotte engagierte sich unter anderem in der Flüchtlingshilfe im Ersten Weltkrieg. Die beiden lebten im Falkenhof, einem kleinen historischen Schlösschen in der Karlau, und betrieben einen "Rohproduktehandel". Das Geschäft wurde 1938 nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten liquidiert, das Ehepaar musste im Alter von 80 Jahren in eine "Sammelwohnung" nach Wien ziehen. Von dort flohen die beiden in ein slowenisches Dorf, wo Charlotte schließlich verstarb und David Stern bei einer Razzia der Nationalsozialisten erschossen wurde. Er hatte Widerstand geleistet. Die Enkel der beiden, Hans und Trude Lang (1912-2005 und 1915-2002), lebten ab 1934 zusammen mit den Großeltern im Falkenhof. Hans studierte in Graz Rechtswissenschaften und stieg ins Familienunternehmen ein, seine Schwester Trude studierte Geschichte und zählte 1938 zu einer der wenigen jüdischen Studierenden, die ihr Studium noch durch eine "stille Promotion" abschließen konnte. Für die beiden, aber auch für ihre Enkel Hans und Trude sowie deren Eltern Else und Fritz Lang, und für Rupert Heider, einen Zeugen Jehovas, der als Wehrdienstverweigerer hingerichtet wurde, wurden heute in Graz Stolpersteine verlegt.

(Aus: Neue Stolpersteine, Kleine Zeitung, 7.9.2022)

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